Daß die Kritik aus Deutschland kommt, macht die Sache nicht gerade besser: Von einem Land, das Serbien im 20. Jahrhundert dreimal angegriffen hat und eine Tradition der Zusammenarbeit mit Rechtsaußenkräften in Kroatien pflegt, will man sich ganz sicher nicht belehren lassen.
Von Belgrad aus starten Busse mit Unterstützern zu den protestierenden Serben im Norden des Kosovo, die sich der von Pristina 2008 proklamierten Sezession verweigern. Was ist das Ziel dieser Solidaritätsfahrten?
Die Kosovo-Serben fühlen sich von der prowestlichen Regierung im Stich gelassen. Premier Boris Tadic hat unlängst sogar die Beseitigung der Straßensperren gefordert. Es geht also nicht zuletzt um moralische Unterstützung und darum, auf die Belange der Menschen, die dort für ein Leben in Würde kämpfen, aufmerksam zu machen, in Serbien und weltweit. Außerdem werden humanitäre Güter – warme Kleidung, Öl, Mehl etc. – in die Region transportiert. Eine Gruppe serbischer Schriftsteller hat unlängst 3000 Bücher für die Bibliothek in Kosovska Mitrovica beigesteuert.
Sind weitere Fahrten geplant?
Ja. Reisebusse werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Fahrt beginnt in Belgrad und endet in Kosovska Mitrovica, von wo aus diverse Barrikaden besucht werden. Die Teilnahme von Personen aus dem Ausland ist ausdrücklich erwünscht und würde helfen, die Aufmerksamkeit für das Thema über die Grenzen Serbiens hinaus auszudehnen. Wer sich dafür interessiert, kann sich an John Bosnitch (
[email protected]) wenden, der die Fahrten organisiert.
Wie sind die Lebensbedingungen der serbischen Bevölkerung im NATO-kontrollierten Kosovo?
Schlecht, so wie in den meisten Teilen Serbiens. Selbst in Belgrad hört man die Leute sagen, Tadics Regierung sei die unsozialste, die das Land je gehabt habe. In Kosovska Mitrovica gibt es nur unregelmäßig Strom. Verhungern muß keiner, aber viel mehr ist nicht drin. Hinzu kommt die permanente Anspannung. Man muß sich vor Augen halten, daß diese Menschen seit mehr als zwölf Jahren ständig, mal mehr mal weniger, politischer Gewalt ausgesetzt sind, und eine dramatische Verschlechterung der Lage jederzeit möglich ist.
In der vergangenen Woche wurde eine Delegation der kosovo-albanischen Regierung aus Pristina im Deutschen Bundestag empfangen, darunter Politiker, die Kriegsverbrechen begangen haben sollen bzw. Prozesse gegen Kriegsverbrecher blockieren, jW berichtete. Hat das in Serbien eine Rolle gespielt?
Die staatlichen und somit prowestlichen Medien halten sich natürlich zurück, den Unmut in der Bevölkerung noch zu vergrößern und berichten wenig über diese Vorgänge. Abgesehen davon glaube ich, daß solche Ereignisse die Menschen in Serbien zwar nach wie vor sehr aufregen, aber als überraschend kann man sie ja nicht mehr bezeichnen. Man denke nur daran, wie der mutmaßliche Organhändler und Terrorist Hashim Thaci von sämtlichen Politikern des Westens gehätschelt wurde und so vom Banditen zum Kosovo-»Premier« aufsteigen konnte.